verschiedenförmige Würfel
Kurzgeschichten,  Rollenspiel

Yara 40 – Tumult

Eule, Arthur und ich kamen beim Krankenhaus an. Es war sehr marode. Ich sah mich um, aber vertrauenswürdige Personen schienen weit und breit nicht zu sehen zu sein. Ein paar eindeutig kranke Menschen aber schon. Wir betraten die «Institution». Ein federloser Vogelmensch kam uns entgegen und rempelte mich an.
«Passt auf wo ihr hingeht!»
«Entschuldigung.»
Dann sahen wir die Zwergin, die in einer verglasten vergitterten Koje sass.
«Hallo. Wir suchen einen Zentauren von den Xaositects.»
«Ach Possel Pekich!»
«Ja, genau den!»
«Also da geht ihr zuerst rechts, zweimal geradeaus, dann rechts und nochmal rechts und geradeaus bis zum Treppenhaus. Oben angekommen geradeaus, links, dann rechts und nochmal links, 200m hüpfen, um 180 Grad drehen und 5 Türen zurück, dann sollte er dort ungefähr sein.»
Trotzdem fanden wir das Treppenhaus und den dritten Stock auf anhieb. Irgendwie sah alles in dem Gebäude gleich aus. Ein Gang glich dem anderen aufs Haar. Und alles war ramponiert und irgendwie…ver-rückt.

Bild von Антон Золотухин auf Pixabay

Im dritten Stock hallten uns viele unterschiedliche Schreie entgegen. Auch hier sah wieder alles gleich aus, nur mit kleinen Fenstern in den Türen. Eule sah durch so ein Fensterchen, schien aber nichts Beeindruckendes zu sehen und zuckte nur mit den Schultern.
Irgendwie fanden wir den Weg aber mit Leichtigkeit. Ob das etwas über unseren Geistezustand aussagte? Vielleicht waren wir auch einfach nur Chaos gewohnt nach der langen Zeit mit dem Pseudofactol der Xaositects.
Plötzlich standen wir vor dem Hinterteil des Zentauren, das aus einem Zimmer herausragte. Herr Peckich schien gerade einer Sitzung beizuwohnen. In dem Raum waren überall Kerzen aufgestellt. In der Mitte sassen ein Asimar und daneben ein kleiner Halbling in einer weissen Robe.
Der Halbling schien in einer seltsamen Sprache mit dem Asimar zu sprechen. Wir stellten uns neben Possel und sahen gespannt zu.
Als dieser uns bemerkte erschrak er und scheuchte uns zurück in den Flur.
«Ach da seid ihr ja! Das ist wunderbar, lasst uns auf den Flur hinaustreten.»
«Aber das war doch eben gerade so spannend!», sagte Eule mit leuchtenden Augen.
«Oh, wir treiben nur gerade einen Dämonen aus, nichts Besonderes. Wir behandeln hier alle nach bestem Wissen und Gewissen.»
«Das ist aber sehr löblich von euch», staunte ich.
«Ja, und so chaotisch! Stellt euch vor, im Krankenhaus nebenan verlangen sie Geld dafür, und nicht wenig!»
Wir erzählten ihm in Kurzform, was passiert war. Peckich war froh, dass wir den Schauspieler zumindest nicht aus den Augen verloren hatten. Er hatte auch schon ein Treffen mit der besten Tieflingsanwältin der Xaositects direkt an den Baracken vereinbart. Possel Peckich wirkte bei der ganzen Sache sehr unruhig und schien sehr besorgt zu sein. Irgendwie war er überzeugt davon, dass etwas Schlimmes passieren würde, wenn Karan nicht in wohlwollender Umgebung war. Schleichend kam mir ein ganz übler Verdacht…

Nach einem Gewaltmarsch durch die halbe Stadt trafen wir mit Herrn Peckich irgendwann vor den Baracken ein. Nur Cinar stand dort. Er erzählte uns, dass er die Stellung hielt, während Tappser mit einem angeheuerten Laternenjungen Schuhe kaufen gegangen war. Der Laternenjunge hatte wohl keine Schuhe besessen und war von seinem Meister sehr unterdrückt worden, da er für eine Nacht nur wenige Kupfer Lohn erhalten hatte.
«Wir müssen schnellstmöglich wieder zu Karan!», Possel Peckich wurde mit jeder Minute beunruhigter.
«Wir haben doch nicht etwa den echten erwischt?», verlieh ich meinem Verdacht Worte.
«Nunja, die beste Tarnung war, ihn unter die Doppelgänger zu mischen…»
«Ach das erklärt Einiges!», rief Cinar aus. «Der war ja schon seeehr chaotisch!» Und er erzählte etwas von unseren Eskapaden.
«Ach unter normalen Umständen wäre das alles eigentlich sehr lustig, nur im Moment sehr ungut. Aber die beste Anwältin der Xaositects müsste jeden Augenblick eintreffen.»
Da kam auch schon eine Tieflingsdame um die Ecke. Sie war purpurn und ihre Hörner lumineszierten! Was für eine Augenweide! Sie stellte sich uns als Ney vor.
«Was ist es diesmal?», anscheinend war sie Verhaftungen des Factols gewohnt. Wunderte mich nicht.
Possel Peckich erklärte ihr die Situation in knappen Worten.
«Naja, dann erwirken wir eben eine sofortige Freilassung. Was wird ihm denn vorgeworfen?»
«Versuchte Entführung eines Luftschiffes», erklärten wir ihr.
«Klingt sehr nach Karan. Ist das tatsächlich so passiert oder hat er sich das nur ausgedacht?»
«Das… ist tatsächlich so passiert.»
«Ok, hart, aber nicht unmöglich. Also rein da.»
Ohne weiter auf Tappser zu warten, betraten wir alle die Baracken. Er würde hoffentlich schon auf die Idee kommen, da reinzuschauen.

Drinnen standen wir plötzlich Wachmann Levelskull gegenüber. Den kannten wir doch von einer gewissen Tavernenschlägerei. Oje.
Mit ganz vielen logischen Argumenten und viel rechtlicher Expertise von Ney konnten wir schliesslich einen sofortigen Besuch bei Karan erwirken.
Levelskulls Zähneknirschen wurde während der Diskussion immer lauter. «Maximal eine halbe Stunde!», gestand er uns schliesslich ein.
«Na gut, wir nehmen was wir kriegen können.»
Da endlich stiess auch Tappser wieder zu uns mit dem neuen Laternenjungen.

Bild von Peter H auf Pixabay

Levelskull ging voran und führte uns einigen verschlungengen Wegen entlang in die Tiefen des Barackenbaus. Viele Harmoniumsoldaten schienen sich auf die Nacht vorzubereiten. In einem Innenhof stand eine riesige Eiche, eigentlich ein perfekter Schlafplatz für Eule, sinnierte ich. Dann kamen wir im Zellentrakt an. Es waren nur ganz einfache Zellen, nicht viel mehr als Gitterverschläge. Allerdings schienen nicht nur Unschuldige darin zu sitzen. Dann bogen wir in einen schmalen Gang ein, in dem besonders viel Sicherheitspersonal war.
«Also wenn es euch um die Sicherheit Karans geht, dann können wir uns hier genausogut um seine Sicherheit kümmern. Dieser Trakt ist extra sicher. Da vorne sitzt er. Eure halbe Stunde läuft», instruierte uns der Hauptmann grob.
Die Zelle war leer.
Die gegenüberliegende Zelle war auch leer.
Sehr sicher war unser Karan hier, ja klar.
Wir untersuchten die eigentliche Zelle sehr gründlich, vielleicht hatte er sich ja irgendwie unsichtbar gemacht? Aber er war definitiv nicht mehr hier.
Nun schlug Levelskull definitiv Alarm.
Possel Peckich schüttelte nur verzweifelt den Kopf: «Das kann doch nicht wahr sein, ach! Wir hätten schneller hier sein sollen! Wir hätten dem Harmonium nicht vertrauen sollen…»
Er schien sehr sauer zu sein. Auf Karan, auf das Harmonium, auf sich selbst, auf uns, auf das Efeu, das in den Zellen wuchs, einfach auf alles.
Da hörten wir einen lauten Schrei aus der Richtung, in der die Eingangshalle lag. Ein richtiger Aufruhr!

Wir rannten schnell dahin. Die Eingangshale war gefüllt mit Harmoniumsoldaten. Neben der Rezeption kniete ein bleicher kleiner Mensch in Harmoniumrüstung. Er weinte hysterisch und wurde von den anderen Wachen bedrängt. Tappser versuchte, sich neben ihn zu stellen und die umstehenden Wachen anzubrüllfauchen, doch es ging alles im Tumult unter.
Ich setzte mich auch neben den weinenden Menschen und gemeinsam mit Tappser versuchte ich, ihn zu beruhigen. Mit sehr mässigem Erfolg. Immer mehr Wachen kamen an und auch der Platz draussen vor den Baracken füllte sich langsam. Es war ein ohrenbetäubender Lärm.
«Es ist etwas furchtbares passiert! Er ist tot! Nein, das muss ein Traum sein! Ein Pfeil hat sich direkt in sein Herz gebohrt, auf hellichter Strasse! Er ist einfach tot!», stammelte der hysterische Mensch.
Niemand wusste genau, wer gemeint war.
Irgenwann brachte er dann doch noch hervor, dass er das Factol des Harmoniums meinte. Er war wohl bei einem Treffen mit den Sensates im Festhallendistrikt ermordet worden.
Levelskull rief sofort alle Soldaten zu sich und rannte los.
Das Chaos wollten wir uns vorerst zunutze machen und die Wache befragen, welche Karan (den echten! Wir hatten tatsächlich den echten Karan erwischt, darüber war ich noch nicht hinweg, auch wenn ich es mir hätte denken können) hätte bewachen sollen.

Zuletzt hatte die Wache Karan kurz vor 18 Uhr gesehen, als er seinen Rundgang machte.
Wir untersuchten den Trakt und die Zelle ganz genau. Ich konnte ganz leicht Reste einer Art Beschwörungszauber ausmachen, allerdings schien dieser schon länger zurück zu liegen. Die Wache erklärte uns, dass das Gefängnis von aussen zwar magiegeschützt sei, aber innerhalb dieser Barriere könnte man theoretisch schon Magie wirken. Die Zellen an sich seien tatsächlich nicht magiegesichert. Aber dann müsste zumindest irgendwo irgendwer ermitteln können, ob und wenn ja, wann innerhalb der Mauern gezaubert worden sei. So genau kannte sich die Wache damit nicht aus, aber in der Verwaltung würde wohl jemand sitzen, der dies überwache.
Doch in der Verwaltung war keiner da.
«Seltsam», meinte die Wache, «normalerweise müsste zumindest noch einer da sein.»
Wir hielten alle mal besser den Mund, sonst würde sie noch reissaus nehmen.
Auch hier in der Verwaltung konnte ich leichte Reste von allerhand Magie spüren, es schien aber alles bloss Alltagsmagie zu sein, nichts Aussergewöhnliches.
«Also, wenn Magie gewirkt würde, vor allem in den Zellen, müsste das hier bekannt werden», meinte die Wache.
Die Tür zu einem Büro war nur angelehnt. Wir untersuchten die Utensilien darin und Eule fand eine Kristallkugel, die wohl anschlug, wenn Magie im Gefängnis gewirkt wurde. Es war aber keiner da, den wir fragen konnten, ob das heute passiert sei.
«Schon sehr seltsam», wurde die Wache langsam misstrauisch, «zumindest im Wohntrakt dürfte aber noch jemand sein, den ihr fragen könntet.»
Doch auch dort war alles leer. Als die Wache nun endgültig verstanden hatte, das etwas ganz und gar nicht stimmen konnte, mussten wir ihr doch leider stecken, weswegen der Tumult gewesen war. Umgehend brachte sie uns zum Eingangsbereich zurück und verabschiedete sich. Im Foyer war nur noch die Rezeptionsdame und der bleiche Soldat, der immer noch vor sich hinwimmerte.

Bild von Agnieszka auf Pixabay

Wir wollten weiter nach Karan suchen. Possel Peckich und Ney wollten die Verstecke der Xaositects systematisch abklappern und wir wollten zuerst in der Unterkunft nachsehen, in der wir schon ein paar Nächte mit ihm verbracht hatten. Unsere beiden Laternenjungen Arthur und Nilo – wie ich unterwegs herausfand – führten uns dahin. Sehr viele Harmoniumsoldaten waren unterwegs.
In der Taverne schien das Gerücht des Ablebens des Harmoniumfaktols Sarien auch schon wie ein Lauffeuer verbreitet zu haben.
Karan war noch nicht hier gewesen, berichtete uns der Wirt.
Es gab einfach zu viele Orte, wo wir hätten nachsehen können. Ausserdem waren in der Stadt überall Harmoniumsoldaten unterwegs und würden wohl sehr rabiate Kontrollen durchführen. Es blieb uns wohl nichts anderes übrig, als die Nacht vorerst abzuwarten. Nach einem Hut voll Schlaf würde ich zumindest auch wieder in der Lage sein, Karan eine magische Nachricht schicken zu können. Also kehrten wir ein.

Die Nacht war nicht sonderlich erholsam. Ich konnte die flüsternden Stimmen kaum verstehen. Nur ein Wort: «Pain» War das ein Name? Oder sollte es Schmerz bedeuten?

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